Die Virologin aus Berlin im Kurzinterview

Dr. Susann Kummer leitet die Arbeitsgruppe Stabilität und Persistenz von Risikogruppe 4 Viren am Robert Koch-Institut. Welche menschlichen Begegnungen Sie zur Forschung an hochpathogenen Viren im Hochsicherheitslabor gebracht haben erfahren Sie im Infect-Net-Kurzinterview.

Wie bist Du dahin gekommen, wo Du heute bist?

Susann Kummer: Ich denke, es war eine Verkettung von Zufällen und das mir von meinen wundervollen Eltern verliehene Selbstbewusstsein, meinen Weg zu wählen. Ich denke, es sind die menschlichen Begegnungen, die uns dorthin bringen, wo wir sind: In der Schule hatte ich eine unglaublich engagierte Tutorin im Bio-Leistungskurs, die mich stark beeinflusst hat. Durch einen Besuch im Gläsernen Labor in Dresden hat sie mein Interesse für die Molekularbiologie geweckt. Während meines Hauptstudiums in Würzburg, hat mich wiederum der Mentor im Grundpraktikum zur experimentellen Virologie beeindruckt, sodass ich beschloss, meine Diplomarbeit nicht in der Neurobiologie, sondern am Virologischen Institut zu absolvieren. Damit war ich in der Virologie gelandet. Ähnlich verhielt es sich mit meiner Entscheidung, in der akademischen Forschung zu bleiben: Mein Doktorvater ist ein begnadeter Wissenschaftler, den ich für seine ehrliche und offene Art sehr schätze.  Und meine heutige Position als Projektgruppenleiterin verdanke ich einem aufgeschlossenen und fördernden Fachgebietsleiter am RKI, welcher mir die Chance gibt, meinem Forschungsinteresse mit einer kleinen Gruppe von ebenso Begeisterten nachzugehen. Zugegebenermaßen, war es nie mein Ziel, im Hochsicherheitslabor zu arbeiten, aber ich bin stolz darauf, wo ich bin und dass wir mit unserem Engagement dazu beitragen, hochpathogene Viren besser zu verstehen.

Was ist Dein Hauptforschungsgebiet?

SK: Tiermodelle haben in der Vergangenheit sicher einen großen Beitrag in der medizinischen Forschung geleistet, jedoch stoßen wir in der Nutzung der Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien oft an die Grenzen der Übertragbarkeit auf den Menschen und müssen die Sinnhaftigkeit hinterfragen. Mich fasziniert daher die Möglichkeit, in einem künstlichen System ein humanes Modell zu schaffen, das es uns erlaubt, ohne Tierversuche Krankheiten zu erforschen und Therapieansätze zu entwickeln. Bereits während meiner Postdoc-Zeit am Uniklinikum Heidelberg begann ich in Zusammenarbeit mit dem DKFZ, humane Lungenorganoidmodelle für die Infektionsforschung, insbesondere für Influenza-A-Viren, einzusetzen. Die SARS-CoV-2-Pandemie hat diesem Forschungszweig einen besonderen Schub gegeben, da bisher gängige in vitro und in vivo Modelle bei der Anzucht dieser Viren initial versagten. Dieser Forschungsansatz ist in Hinblick auf hochpathogene Viren von besonderer Bedeutung: Zum Beispiel gibt es für die Erreger des oftmals tödlich verlaufenden hämorrhagischen Fiebers, die Ebolaviren, kein Tiermodell. Dies erschwert die Untersuchung des Pathomechanismus und damit die Entwicklung von Therapeutika enorm. Mit unserem Ansatz bieten wir die Chance, bestimmte molekulare Prozesse in einem physiologisch relevanten Kontext zu untersuchen.

Und was haben wir alle davon?

SK: Unsere innovativen, organoidbasierten Infektionsmodelle ermöglichen eine physiologisch relevante und gezieltere Charakterisierung sowohl von bekannten als auch von neuartigen humanpathogenen Erregern. Unsere Forschung kann die Risikobewertung sogenannter emergierender, also neu auftretender Pathogene im Fall von Ausbruchsgeschehen unterstützen und trägt dazu bei, antivirale Interventionen zu entwickeln und zu testen.

Wie vereinbarst Du das mit Deiner Freizeit?

SK: Das frage ich mich manchmal selbst – aber es klappt (lacht). Es klingt abgedroschen, aber für mich funktioniert das nur durch Teamwork – privat und beruflich.

Das Robert Koch-Institut verfolgt eine sehr familienfreundliche Personalpolitik, die es ermöglicht, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren. Besonders das Arbeiten im Home-Office entlastet zeitlich und schafft Raum für das Familienleben. Zudem kann ich mich absolut auf unsere Forscher:innengruppe und den technischen Support verlassen. Das ist einfach toll!

Meine persönliche Freizeit ist eher knapp bemessen: beim Body Combat kann ich mich körperlich auspowern und Stress abbauen. Abschalten in der Freizeit ist für mich zum Aufladen der Batterien essentiell, aber es fällt mir genauso schwer wie vielen anderen auch – besonders, wenn Deadlines drücken und das Manuskript endlich fertig werden muss. Vielleicht ist es daher gut, dass es jemanden gibt, der bedingungslos Aufmerksamkeit einfordert.

Wir leben in einer wunderschönen Gegend zwischen Wäldern und Seen im Berliner Umland. Hier sind wir oft mit den Rennrädern unterwegs. Mein Mann zieht den Kinderanhänger, und wir suchen uns Ziele, bei denen unser Kleiner ebenfalls auf seine Kosten kommt – sei es ein aufregender Waldspielplatz oder ein schöner Tierpark. Oft treffen wir Freunde mit Kindern; das hat sich irgendwie eingespielt. Wir sind an den Wochenenden viel unterwegs und reisen sehr gern – auch mit Kind! Das hat sich nicht geändert.  Leider wohnen meine Eltern zu weit weg, um uns regelmäßig unterstützen zu können, aber im Notfall können wir auf sie zählen. Nach dem Mutterschutz war ich direkt wieder voll ins Berufsleben eingestiegen, was nur dank einer großartigen Tagesmutter, die zu uns nach Hause kam, möglich war. Trotz dieser Unterstützung zehrten besonders der Schlafmangel und das ständige Gefühl, nie genug für mein Kind da zu sein, an meinen Nerven. Manchmal frage ich mich, wie wir das überhaupt zusammen geschafft haben. Ich habe das unschätzbare Glück, dass die Liebe meines Lebens an meiner Seite steht – der Fels in meiner Lebensbrandung. Meiner Leidenschaft zur Forschung nachgehen zu dürfen und gleichzeitig eine Familie zu managen, ist in der Tat das Schwerste und Schönste gleichzeitig. Ich möchte keinen Teil meines Lebens missen.


Das Interview führte Prof. Dr. Ursula Rescher von der Universität Münster. In der Serie Infect-Views stellen sie und Prof. Dr. Irit Nachtigall einige Expertinnen aus unserem Netzwerk im Kurzinterview vor.