Translation in der Infektionsforschung: Erkenntnisse für Patientinnen und Patienten nutzbar machen
Die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung dorthin bringen, wo sie gebraucht werden: Das ist die Aufgabe der Translation. Auch in der Infektionsforschung sollen Diagnostik, Medikamente, Therapien und Handlungsempfehlungen letztendlich den Patientinnen und Patienten helfen und die Arbeit des medizinischen Personals verbessern. Damit das geschehen kann, müssen nicht nur Wirksamkeit, Sicherheit, Effizienz und Praktikabilität der Neuerungen gewährleistet sein, sondern auch die Interessen von Industriepartnern und die rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.
Zusammen mit dem Centrum für Infektionsmedizin (CIM) der Uniklinik Köln haben wir am 21. und 22. November 2024 Infektionsforscherinnen aus ganz Deutschland zu unserem 4. Netzwerktreffen an der Uniklinik Köln eingeladen. Im Centrum für integrierte Onkologie (CIO) und im Forum des Dekanats konnten wir uns zwei Tage über Translation in der Infektionsforschung austauschen, neue Kontakte knüpfen und Ideen für die Vereinsausgründung des Verbands Deutscher Infektionsforscherinnen sammeln.
Frauennetzwerke stärken die Demokratie
Infect-Net-Sprecherin Professorin Dr. Gabriele Pradel, Parasitologin an der RWTH Aachen University, und Professorin Dr. Esther von Stebut, Pro-Dekanin für Wissenschaft-Translation-Transfer der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, eröffneten das Treffen und begrüßten die insgesamt 55 Teilnehmerinnen.
Gabriele Pradel betonte in ihrer Ansprache die Verteidigung der Rechte für Frauen. Denn in einer Zeit, in der rechte Ideologien, demokratiefeindliche Parteien, patriarchale Hierarchien und machistische Rollenbilder an Popularität gewinnen, würden auch die Rechte von nicht-privilegierten Gruppen schnell wieder zurückgeschnitten. Ein Zusammenhalt von Frauen, auch in der Forschung, sei notwendig, um das demokratische Prinzip und eine chancengerechte Zukunft zu sichern.
Gastgeberin Esther von Stebut freute sich in ihrer Rolle als stellvertretende Zentrumssprecherin des CIM über die Gelegenheit, so viele renommierte Wissenschaftlerinnen und Klinikerinnen in Köln begrüßen zu können, und lud zu einer produktiven und wertschätzenden Tagung ein.
Alles andere als „Lost in Translation“: Infektionsforscherinnen bieten vielfältige Ansätze
„Are we lost in translation?“ Mit dieser Frage eröffnete Professorin Dr. Marylyn Addo die Tagungsbeiträge. Die renommierte Infektiologin vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf präsentierte einen Überblick über die Translationsprojekte des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, DZIF. Ihr Fazit lautete: Translation ist teuer, langwierig und erfordert eine effiziente Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams.
Detaillierter wurde es bei Immunologin Junior-Professorin Dr. Christina Karsten vom Institut für die Erforschung von HIV und AIDS-assoziierten Erkrankungen an der Uniklinik Essen. Sie stellte die virologische Forschung ihres Labors vor. Mit ihrer Gruppe untersucht sie unter anderem, wie sich HIV mit menschlichen Zuckermolekülen vor unserem Immunsystem schützt und erarbeitet Strategien, diese Zuckerbarriere zu durchbrechen.
Professorin Dr. Dorothee Viemann vom Uniklinikum Würzburg präsentierte spannende neue Ergebnisse aus ihrer pädiatrischen Forschung zum Einfluss des Pandemie-Lockdowns auf die Entwicklung des Immunsystems von Neugeborenen. Die noch unveröffentlichten Daten könnten dabei helfen, bessere Strategien für zukünftige Lockdown-Situationen zu entwickeln.
Neurobiologin Professorin Dr. Ina Maja Vorberg vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn sprach über die Zusammenhänge von Alter, Alzheimer, Prionen und viralen Infektionen im Gehirn. Eine wichtige Rolle scheint dabei die Aktivierung von HERVs, humanen endogenen Retroviren, zu spielen.
Privatdozentin Dr. Anke Kraft vom Centre for Individualized Infection Medicine (CIIM) an der Medizinischen Hochschule Hannover betonte die Herausforderungen heterogener Immunantworten in der Bevölkerung. Am Beispiel von Hepatitis-B-Infektionen erklärte die Virologin den analytischen Nutzen von Gesundheitsmetadaten und Data Science.
Dr. Annika Claßen, Expertin für Bakteriophagen am CIM, sprach über den Entwicklungsstand der S2K-Leitlinie für die individualisierte Phagentherapie mit einem Fokus auf regulatorische Herausforderungen. Die Zeichen für erste Zulassungen in Deutschland im Jahr 2025 stehen günstig.
Die Parasitologin Dr. Nahla Galal Metwally vom BNITM in Hamburg klärte über die regulatorische Funktion von menschlicher microRNA bei der Infektion mit dem Malariaerreger Plasmodium falciparum auf. Die Funktionsweise dieser kleinen Moleküle im Infektionskontext aufzuklären, bietet mit dem Fortschritt der RNA-Technologie vielversprechende Ansätze für neuartige Therapien.
Professorin Dr. Irit Nachtigall, Infektiologin beim Vivantes Netzwerk für Gesundheit in Berlin, hinterfragte abschließend: „Translationale Forschung – braucht man das?“ Dabei stellte sie die Bedürfnisse und Perspektiven von Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt. Besonders spannend war ihr Exkurs über medizinische Versorgungssysteme in Israel, wo effiziente Digitalisierung und Datentransfers bereits implementiert sind.
Durch dieses ambitionierte Programm führten uns charmant die engagierten CIM-Nachwuchswissenschaftlerinnen Privatdozentin Dr. Lena Biehl, Dr. Luisa Bopp, Dr. Sarina Butzer und Dr. Anna Marie Wunsch, bei denen wir uns herzlich bedanken.
Höhepunkt am Abend des ersten Tages war die CIM Lecture, bei der wir mit weiteren Kolleginnen und Kollegen des CIM zusammenkamen. Zentrumssprecher des CIM Professor Dr. Florian Klein kündigte Gastsprecherin Professorin Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding an. Die neue Direktorin des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene an der Philips-Universität in Marburg sprach über Entwicklung neuer Impfstoffe und Impfstrategien gegen nosokomiale bakterielle Infektionen.
On the shoulder of female giants: Lernen von erfolgreichen Netzwerken
Den zweiten Tag verbrachten wir unter den ernsten Blicken der ausschließlich männlichen Direktorengalerie der Uniklinik Köln – eine Kulisse, die den Kontrast zur Zielsetzung unseres Treffens symbolisierte: mehr Mitspracherecht für Frauen in der Wissenschaftspolitik, eine paritätische Besetzung von Leitungsfunktionen und Chancengerechtigkeit.
Dr. Judith Meckel, Chirurgin am Kölner St. Elisabeth-Krankenhaus stellte uns das Frauennetzwerk „Die Chirurginnen e.V.“ vor, das während der Corona-Pandemie von Dr. Katja Schlosser und Kolleginnen ins Leben gerufen wurde. Laut Meckel sind ein gewissenhaftes Onboarding, Arbeitsteilung, gegenseitige Wertschätzung und effiziente interne Kommunikationsmöglichkeiten maßgebliche Erfolgsfaktoren für die Vereinsarbeit.
Professorin Dr. Katharina Kubatzky gab Einblicke in die Organisation der Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) und berichtete über die Entwicklung und den aktuellen Stand der Geschlechterverteilung in den naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften. Als Best-Practice Beispiel nannte Kubatzky die Gesellschaft Deutscher Chemiker, GDCh. Die GDCh verfolge nicht nur ernsthafte Fördermaßnahmen, sondern überwache auch deren Umsetzung. Zu nennen seien hier Dr. Hildegard Nimmesgern, die 2016 die Kommission Chancengleichheit einrichten konnte und der Hildegard-Hamm-Brücher-Preis für Chancengleichheit in der Chemie.
Koordinator René Lesnik gab einen Jahresrückblick und stellte Lucy Wahler als neue Unterstützung für den Instagram-Auftritt vor. Für 2025 sind zwei Netzwerktreffen in München und Jena sowie digitale Treffen im Januar und Mai geplant.
Danke für ein starkes Team und die Kölner Geselligkeit
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmerinnen und insbesondere bei unseren Gästen Isabelle Bekeredjian-Ding und Judith Meckel für ihre wichtigen Impulse. Ein großer Dank geht an Esther von Stebut für die Gastfreundschaft und ihrem Team, insbesondere Dr. Fabian Weiland, Vera Schiewer und Ivana Louis, für die tolle Organisation. Wir freuen uns auf die kommenden Treffen in 2025!
Save the dates:
5. Online-Netzwerktreffen: 17. Januar 2025, 13 Uhr
5. Netzwerktreffen: 24. – 26. März 2025: TUM, München (Professorin Dr. Clarissa Prazeres da Costa, Professorin Dr. Ulrike Protzer)
6. Online-Netzwerktreffen: 16. Mai 2025, 13 Uhr
6. Netzwerktreffen: 24. - 26. September 2025: Jena (Professorin Dr. Bettina Löffler), im Anschluss an die DGHM-Jahrestagung
René Lesnik | Koordination Infect-Net