Die Virologin aus Braunschweig im Kurzinterview
Prof. Dr. Melanie Brinkmann ist Vorstandsmitfrau des Instituts für Genetik der Technischen Universität Braunschweig und leitet die Arbeitsgruppen für Virologie und angeborene Immunität an der TU-BS und am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Im Zuge der Corona-Pandemie erlangte sie als Gästin in Nachrichtensendungen und Talk Shows bundesweite Bekanntheit und wurde zur stellvertretenden Vorsitzenden des Corona-Expert:innenrats der Bundesregierung berufen. Über ihre persönlichen Karrierweg und die Relevanz ihrer aktuellen Forschung erzählt uns die Virologin im Infect-Net-Kurzinterview.
Wie bist Du dahin gekommen, wo Du heute bist?
Melanie Brinkmann: Eigentlich wollte ich Journalistin werden. Das Schreiben und Recherchieren lag mir sehr. Dann gab mir ein Redakteur der Lokalzeitung, bei der ich nach dem Abitur jobbte, den Tipp, nicht wie viele andere Journalismus, Germanistik oder Politik zu studieren, sondern über ein anderes Studium in die Welt des Journalismus einzutauchen. Ich entschied mich für Biologie, ein breit gefächertes Fach mit zahlreichen Möglichkeiten. In den Semesterferien ergatterte ich ein Praktikum beim Wissenschaftsmagazin GEO. Doch dann tauchte ich immer tiefer in mein Studium ein und entdeckte meine Leidenschaft: die Mikrobiologie und Virologie. Das lag auch daran, dass ich während des Studiums mit vielen Menschen arbeitete, die mich begeisterten und förderten – und schließlich zog mich die Forschung so sehr in ihren Bann, dass das Ziel, Journalistin zu werden, verblasste.
Nach meiner Doktorarbeit am Institut für Virologie in Hannover und einer Postdoc-Phase in Boston wurde ich 2010 Nachwuchsgruppenleiterin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Seit 2018 bin ich Professorin an der Technischen Universität Braunschweig, und am HZI leite ich weiterhin eine Arbeitsgruppe.
Was ist Dein Hauptforschungsgebiet?
MB: Mein Forschungsgebiet ist sehr interdisziplinär und vereint Zellbiologie, Molekularbiologie, Immunologie, Biochemie und Virologie. Unser Fokus liegt auf der Untersuchung der angeborenen Immunantwort nach viralen Infektionen. Wir haben uns auf Herpesviren spezialisiert, insbesondere auf das Cytomegalievirus, kurz CMV. Wir erforschen, wie dieses Virus vom angeborenen Immunsystem erkannt wird, dieses Abwehrsystem aber so geschickt umgeht, dass es nicht eliminiert wird, sondern sich lebenslang im menschlichen Körper „festhalten“ kann.
Kürzlich haben wir einen neuen Mechanismus entdeckt, wie unser Immunsystem CMV in Schach halten kann – zumindest so lange, bis das Virus diesen Mechanismus elegant und gezielt ausschaltet. Ob dieser Abwehrmechanismus auch bei anderen Virusinfektionen greift, erforschen wir gerade intensiv.
Und was haben wir alle davon?
MB: Unsere von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsgruppe DEEP-DV hat sich zum Ziel gesetzt zu verstehen, wie es bestimmten Viren gelingt, lebenslang in unserem Körper zu verbleiben. Welche Faktoren bei Virus und Mensch entscheiden darüber, ob eine Infektion chronisch wird? Was sind die wichtigen Schaltstellen, und wer kann den Schalter zuerst zu seinen Gunsten umlegen, das Virus oder der Wirt? Das untersuchen wir mit hochmodernen Methoden und einer einzigartigen Expertise, die wir in dieser Forschungsgruppe gebündelt haben.
Das Ziel unserer Forschung ist es, neue Angriffspunkte für Therapien zu entwickeln, denn die Viren, die wir untersuchen, können schwerwiegende Krankheiten verursachen. Beispiel CMV: Viele von uns tragen dieses Virus bereits in sich, ohne es zu bemerken, da meist eine ausgeglichene Balance zwischen uns und dem Virus herrscht. Wenn jedoch eine Immunsuppression eintritt, zum Beispiel durch eine Transplantation oder Chemotherapie, kann es für uns lebensbedrohlich werden. Zudem kann CMV das ungeborene Leben im Mutterleib gefährden – entweder durch eine frische Infektion während der Schwangerschaft oder durch eine Reaktivierung des in der Mutter bereits schlummernden Virus. Leider gibt es noch keine gute Therapie gegen CMV und keinen Impfstoff. Deshalb ist es so wichtig, auf diesem Gebiet weiter intensiv zu forschen.
Mit einem genauen Verständnis der Mechanismen, die darüber entscheiden, ob eine Infektion erfolgreich verläuft oder vom Immunsystem kontrolliert wird, können wir zukünftig neue Therapien entwickeln – nicht nur gegen CMV, sondern vermutlich auch gegen andere chronische Virusinfektionen.
Wie vereinbarst Du das mit Deiner Freizeit?
MB: Ich habe drei Söhne und kümmere mich um meine pflegebedürftige Mutter. Auch wenn mein Mann voll mit anpackt, braucht es ein starkes Netzwerk und viel Energie, das alles zu wuppen. Ich will es nicht schönreden: Es ist oft ein Spagat, allem gerecht zu werden. Man muss sich davon befreien, alles perfekt machen zu wollen – wenn es abends nur Spaghetti mit Tomatensoße gibt, dann ist das eben so. Und wenn der Text auf den Vortragsfolien mal nicht perfekt ausgerichtet ist, geht die Welt auch nicht unter. Ein gutes Pferd nimmt die Hürde knapp. Wichtig ist, nicht zu straucheln, und wenn man doch mal fällt, auch Hilfe annehmen zu können.
Wer mehr über die spannende Welt der Viren und meine Arbeit erfahren möchte, dem sei der Podcast der ZEIT ans Herz gelegt: Melanie Brinkmann im Interviewpodcast „Alles gesagt“.
Das Interview führte Univ.-Prof. Dr. Irit Nachtigall, Leitung Translationale Forschung, Lehre und Kooperation bei den Vivantes Kliniken. In der Serie Infect-Views stellen sie und Prof. Dr. Ursula Rescher einige Expertinnen aus unserem Netzwerk im Kurzinterview vor.
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