Sequenzierung, Sichtbarkeit und Diagnostik
Am 24. und 25. September lud Infect-Net-Vorständin Prof. Dr. Bettina Löffler zum sechsten Netzwerktreffen nach Jena ein. Direkt im Anschluss an die 77. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) kamen 45 Infektionsforscherinnen aus ganz Deutschland in den Räumlichkeiten der Friedrich-Schiller-Universität und des Universitätsklinikums Jena (UKJ) zusammen. Im Mittelpunkt standen aktuelle Entwicklungen in der Sequenzierung und Diagnostik von Infektionskrankheiten sowie die Frage, wie unser frisch gegründeter Verein künftig noch mehr Sichtbarkeit und Einfluss für Infektionsforscherinnen gewinnen kann.

Begrüßung
In ihrer Eröffnungsrede thematisierte die Vereinsvorsitzende Prof. Dr. Gabriele Pradel die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Tendenzen hin zu traditionellen Rollenbildern und patriarchalen Machtstrukturen. Diese Entwicklungen stellten Gleichstellung und Chancengerechtigkeit zunehmend in Frage. Umso wichtiger, so Pradel, sei die Rolle von Frauennetzwerken, um Privilegien und Rechte zu verteidigen und gesellschaftliche Mitsprache einzufordern. Infect-Net möchte hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten; nicht nur für Frauen in der Infektionsforschung. Pradel bedankte sich auch bei ihren Kolleginnen aus dem Projektvorstand, die mit ihr die Netzwerkinitiative Infect-Net ins Leben gerufen und mitgestaltet haben.
Im Anschluss präsentierten die Gastgeberinnen ihren Forschungsstandort Jena:
Prof. Dr. Bettina Löffler, Direktorin des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am UKJ, gab spannende Einblicke in ihre Forschung zu antimikrobiellen Oberflächenstrukturen für Implantate und 3D-Modellen von Knochengewebe. Ihre Kollegin PD Dr. Stefanie Deinhardt-Emmer stellte das neue Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung (LPI) vor und zeigte anhand eigener Arbeiten, wie hochauflösende bildgebende Verfahren, etwa Rasterkraftmikroskopie (AFM), Raman-Spektroskopie und Fluoreszenzlebensdauer-Mikroskopie (FLIM), Krankheitserreger auf der Zellebene sichtbar machen und zur Erregerdiagnostik eingesetzt werden können.
Keynote von Lia van der Hoek: Auf der Jagd nach unbekannten Viren
Ein Höhepunkt des Treffens war die Keynote der niederländischen Virologin Prof. Dr. Lia van der Hoek vom Universitätsklinikum Amsterdam. Als Expertin für das Aufspüren bislang unbekannter Viren nahm sie uns mit auf ihre faszinierende wissenschaftliche „Detektivarbeit“: Sie erforscht seltene und rätselhafte Virusinfektionen bei Menschen und Tieren. Neben der Identifizierung neuer Erreger entwickelt sie auch Ansätze für Impfstoffe und Therapien. Ihr Vortrag hat eindrucksvoll gezeigt, wie viel Neugier, Ausdauer und Leidenschaft in dieser Forschung steckt.
Forschung live – und auf höchstem Niveau
Nach der Keynote folgte intensiver wissenschaftlicher Austausch:
- Dr. Sandra Reuter (Universitätsklinikum Freiburg) beleuchtete die Bedeutung der Plasmid-Diversität und deren exakte Sequenzierung für die klonale Bestimmung bakterieller Krankenhauskeime.
- Dr. Antje Häder (UKJ) sprach über TERC-RNA-Moleküle und deren Einfluss auf Infektionen mit dem Influenza-A-Virus.
- PD Dr. Geraldine Nouailles (Charité Berlin) zeigte am Beispiel von Atemwegskeimen, wie Einzelzellsequenzierungen zur präzisen Charakterisierung von Immunzellpopulationen beitragen.
- Dr. Romy Skusa (Universitätsmedizin Rostock) stellte das Potenzial von Bakteriophagen als antibakterielle Therapeutika vor und plädierte für standardisierte Agar-basierte Verfahren zur Phagen-Isolation.
- Dr. Noriko Cassman (UKJ) betonte schließlich die Bedeutung eines einheitlichen Forschungsdatenmanagements und stellte mit VIRJenDB eine Datenbank vor, die genau das unterstützt.
Workshop: Hochdurchsatz-Sequenzierung in Theorie und Praxis
Im anschließenden Hands-on-Workshop stand die Anwendung von Hochdurchsatz-Sequenzierungen in der Routinediagnostik im Mittelpunkt.
Dr. Isabell Abellan Schneyder von Oxford Nanopore Technologies erläuterte anschaulich den Sequenzierungsmechanismus der Nanopore-Technologie und deren Vorteile für die Diagnostik. Noriko Cassman ergänzte mit einem Überblick über die bioinformatische Verarbeitung und Auswertung der Sequenzierungsdaten.
Bei der anschließenden Laborführung im UKJ konnten die Teilnehmerinnen die moderne, automatisierte Diagnostik live erleben: ein beeindruckender Einblick, selbst für erfahrene Infektiologinnen.
Vom Förderprojekt zum unabhängigen Verein
Ein weiterer Schwerpunkt des Treffens war unsere Zukunft als unabhängiger Verein. René Lesnik, Projektkoordinator von Infect-Net, stellte die Strategie vor, wie aus dem geförderten Netzwerk ein ehrenamtlich getragenes Kollektiv wird. Künftig werden Teams aus Infect-Net-Mitgliedern Aufgaben wie Onboarding, Websitepflege, Social Media und Policy Engagement übernehmen. Die Herausforderung: Verantwortlichkeiten so zu verteilen, dass sie mit den beruflichen Verpflichtungen der Mitglieder vereinbar bleiben. Die intensive Diskussion zeigte, welche Formate und Strategien sich bisher als besonders erfolgreich erwiesen haben und welche Ideen in die neue Vereinsarbeit einfließen werden.
Die Vorständinnen Prof. Dr. Antje Flieger und Prof. Dr. Clarissa Prazeres da Costa nutzten den Moment, um René Lesnik herzlich für sein Engagement und seine kontinuierliche Unterstützung zu danken. Seine wertschätzende Art habe Infect-Net „zu mehr als nur einem Netzwerk“ gemacht.
Fächerübergreifende Vernetzung
Neben dem wissenschaftlichen Programm blieb viel Raum für persönliche Begegnungen und interdisziplinären Austausch. Ob beim Get-together nach den Vorträgen oder beim Sundowner in entspannter Atmosphäre, Gespräche über Fachgrenzen und Karrierestufen hinweg eröffneten neue Perspektiven und legten den Grundstein für zukünftige Kooperationen. Ein Aspekt, den wir bei Infect-Net besonders schätzen.
Danke an alle „Innovativen Frauen im Fokus“
Wir danken allen Referentinnen und Teilnehmerinnen für ihre inspirierenden Beiträge und die lebendigen Diskussionen. Es war eine großartige Zeit in Jena!
Ein besonderer Dank gilt unseren Gastgeberinnen Bettina Löffler, Stefanie Deinhardt-Emmer und Vera Voltersen für die Einladung, Felix Müller, Lucy Wahler und Yini Zhang für die hervorragende Unterstützung vor Ort sowie dem Delikart Partyservice Jena für die ausgezeichnete Verpflegung.
Dieses sechste Netzwerktreffen war zugleich die letzte Veranstaltung im Rahmen der Förderrichtlinie „Innovative Frauen im Fokus“ des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt. Mit dem Ende der Förderperiode am 30. September 2025 bedanken wir uns herzlich bei der Förderrichtlinie und dem Metavorhaben Meta-IFiF: ohne ihre Unterstützung wäre Infect-Net in seiner heutigen Form nicht möglich gewesen.
Wie geht’s weiter?
Auch wenn die Förderung endet, Infect-Net bleibt aktiv!
Als unabhängiger Verein führen wir unsere Mission fort, Infektionsforscherinnen zu vernetzen und sichtbarer zu machen. Das nächste Netzwerktreffen ist bereits in Planung: Im Herbst 2026 treffen wir uns in Würzburg, auf Einladung von Prof. Dr. Franziska Faber und Prof. Dr. Stefanie Kampmeier. Es wird zugleich die erste Mitgliederversammlung des Verbands Deutscher Infektionsforscherinnen e. V. sein.
Wir freuen uns darauf und berichten natürlich weiter über unsere nächsten Schritte!
René Lesnik | Koordination Infect-Net
